Tagebuch eines Studenten
1. Semester
05:30 Der Quarz-Uhr-Timer mit Digitalanzeige gibt ein zaghaftes "Piep-Piep"
von sich. Bevor sich dieses zu energischem Gezwitscher entwickelt, sofort
ausgemacht, aus dem Bett gehuepft. Fuenf Kilometer Jogging um den Aasee,
mit einem Besoffenen zusammengestossen, anschliessend eiskalt geduscht.
06:00 Beim Fruehstueck Wirtschaftsteil der Vortagszeitung repetiert und Keynes
interpretiert. Danach kritischer Blick in den Spiegel, Outfit genehmigt.
07:00 Zur Uni gehetzt. H1 erreicht. Pech gehabt: erste Reihe schon besetzt.
Niederschmetternd. Beschlossen, morgen doch noch eher aufzustehen.
07:30 Vorlesung, Mathe Kolberg. Keine Disziplin! Einige Kommilitonen lesen
Sportteil der Zeitung oder gehen zu Boelling fruehstuecken. Alles mitgeschrieben. Fueller leer, aber ueber die Witzchen des Dozenten mitgelacht.
08:00 Vorlesung, Buchfuehrung Issel. Verdammt! Extra neongruenen Pulli angezogen und trotz eifrigem Fingerschnippens nicht drangekommen.
10:45 Naechste Vorlesung. Nachbar verlaesst mit Bemerkung "Sinnlose Veranstal-
tung" den Raum. Habe mich fuer ihn beim Prof entschuldigt.
12:00 Mensa Stammessen II. Nur unter groessten Schwierigkeiten weitergearbeitet, da in der Mensa zu laut.
12:45 In Fachschaft gewesen. Mathe Script immer noch nicht fertig. Wollte
mich beim Vorgesetzten beschweren. Keinen Termin bekommen. Daran geht die
Welt zugrunde.
13:00 Fuenf Leute aus meiner 0-Gruppe getroffen. Gleich fuer drei AG's zur
Klausurvorbereitung verabredet.
13:30 Dreiviertelstunde im Copyshop gewesen und die Klausuren der letzten
10 Jahre mit Loesungen kopiert. Dann Tutorium: Aeltere Semester haben keine
Ahnung.
15:30 In der Bibliothek mit den anderen gewesen. Durfte aber statt der dringend
benoetigen 18 Buecher nur vier mitnehmen.
16:00 Proseminar. War gut vorbereitet. Hinterher den Assi ueber seine Irrtuemer
aufgeklaert.
18:30 Anhand einschlaegiger Quellen die Promotionsbedingungen eingesehen
und erste Kontakte geknuepft.
19:45 Abendessen. Verabredung im "Blauen Haus" abgesagt. Dafuer Vorlesungen
der letzten paar Tage nachgearbeitet.
23:00 Videoaufzeichnung von WiSo" angesehen und im Bett noch das "Kapital"
gelesen. Festgestellt, 18-Stunden-Tag zu kurz. Werde demnaechst die Nacht
hinzunehmen.
13. Semester
10.30 Aufgewacht!! Ach, Kopfschmerzen, Uebelkeit, zu deutsch: KATER!
10.45 Der linke grosse Zeh wird Freiwilliger bei der Zimmertemperaturueberpruefung. (Arrgh!) Zeh zurueck. Rechts Wand, links kalt; Mist, bin gefangen.
11.00 Kampf mit dem inneren Schweinehund: Aufstehen oder nicht - das ist
hier die Frage.
11.30 Schweinehund schwer angeschlagen, wende Verzoegerungstaktik an und
schalte Fernseher ein (inzwischen auch schon verkabelt).
12.05 Mittagsmagazin beginnt. Originalton Moderator: "Guten Tag liebe Zuschauer
- Guten MORGEN liebe Studenten." Auf die Provokation hereingefallen und
aufgestanden.
13.30 In der Cafetaria der Mensa am Aasee beim Skat mein Mittagessen verspielt.
14.30 In Rick's Cafe hereingeschaut. Geld gepumpt und 'ne Kleinigkeit gegessen:
Bier schmeckt wieder! Kurze Diskussion mit ein paar Leuten ueber die neuste
Entwicklung des Dollar-Kurses.
15.45 Kurz in der Bibliothek gewesen. Nix wie raus, total von Erstsemestern
ueberfuellt.
16.00 Fuenf Minuten im Seminar gewesen. Nichts los! Keine Zeitung, keine
Flugblaetter - nichts wie weg.
17.00 Stammkneipe hat immer noch nicht geoeffnet.
18.15 Wichtiger Termin zuhause: BINGO !!
18:20 Mist! Kein BINGO!! Stattdessen Live-Uebertragung von Stoehn-Seles.
SAT 1 war auch schon besser...
19.10 Komme zu spaet zum Date mit der blonden Erstsemesterin im Havanna.
Immer dieser Stress!
01.00 Die Kneipen schliessen auch schon immer frueher... Umzug ins Jovel.
04.20 Tagespensum erfuellt. Das Bett lockt.
05.35 Am Aasee von Erstsemester ueber'n Haufen gerannt worden. Hat mich gemein
beschimpft.
06.45 Bude muehevoll erreicht. Insgesamt 27,50DM ausgegeben. Mehr hatte die
Kleine nicht dabei.
06.05 Schlucke schnell noch ein paar Alkas und schalte kurz das Radio ein.
Stimme des Sprechers: "Guten Morgen liebe Zuhoerer, gute NACHT liebe Studenten."
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